Die Freibadsaison hat wieder angefangen – und überall sieht man sie wieder, die nackten Bäuche. Und wieder ist die Diskussion im Gange, was macht Mann attraktiv? – Der definierte Waschbrettbauch auf jeden Fall. Aber wollen Frauen das wirklich?
Ich kann von mir behaupten, dass ich einen Waschbrettbauch auf einem Hochglanzmagazin gerne anschaue. Zuhause habe ich dann doch lieber die normale Variante mit kleinem Bauchansatz. Vielleicht auch deshalb, weil ich mir selbst neben einem Waschbrettbauch-Mann ziemlich unattraktiv vorkäme. Meinen weiblichen Mitarbeiterinnen geht es ähnlich. Als ich nämlich mal so nebenbei nachfragte, was sie denn an ihren Partnern und Ehemännern attraktiv finden würden, kamen da die verschiedensten Dinge – aber eben nicht das Sixpack, der V-Rücken oder der Megabizeps.
Meine italienische Labormitarbeiterin hat ganz leuchtende Augen gehabt, als sie über das sexy Gesichtsprofil ihres Ehemannes sprach. Meine leitende Praxismanagerin mit portugiesischen Wurzeln fand die Rückansicht ihres Mannes sehr schön, insbesondere, wenn sie ihm beim Sport zuschaue. Ich kenne beide Männer. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Der Italiener, 1,80 Meter gross und kompakt, der Ehemann meiner Praxismanagerin schlank und deutlich grösser, trainiert, aber nicht wirklich muskulös.
Mein Mann, der als Anwalt eher Dokumente auf dem PC in verschiedene Ordner bewegt, als dass er riesige Akten stemmt, hat irgendwie auch eher die Oberarme, die dazu passen. Als anatomisch versierte Person habe ich aber sofort die Einzigartigkeit seiner Beckenknochen erkannt und jedes Mal fällt mir diese Schönheit beim Betrachten auf. Sie sehen also: Durchschnittsfrauen stehen tatsächlich auf Durchschnittsmänner.
Tatsächlich spricht aber die Statistik eher dafür, dass die Männer selbst immer unzufriedener werden mit ihrem Körperbild. Die Befragung von Schweizer Teenagern, die in Zusammenarbeit mit «Gesundheitsförderung Schweiz» durchgeführt wurde, zeigt, dass 75 % der männlichen Befragten unzufrieden mit ihrem Körper sind. Allerdings verhält es sich dabei laut Aussage des Studienleiters wie folgt: Fragt man nach der allgemeinen Zufriedenheit, geben die Jungs an, kein Problem zu haben. Fragt man nach Muskelmasse und Körperfettanteil, dann geben sie indessen hohe Unzufriedenheit an.
In meiner Praxis treffe ich beides an: Männer, die sehr besorgt sind um ihr Äusseres, und Männer, denen dies relativ gleichgültig ist. Nach meiner Beobachtung gehören letztere eher einer etwas älteren Generation. Jugendliche und sehr junge Männer haben eine sehr kritische Einstellung gegenüber ihrem eigenen Körperbild, Schönheit und Körperpflege.
Wir finden es wichtig, dass auch in den Medien neue Trends, wie jetzt der «DadBod»-Hype, in Bezug auf das männliche Körperbild gesetzt werden, die weg gehen von diesem überperfekten, muskulösen Adoniskörper. Bedenke man nur, dass der Gebrauch an illegalen Substanzen zum Muskelaufbau und Fettabbau bei den Schweizer Männern in den letzten Jahren stark zugenommen haben muss, fängt doch der Zoll immer mehr illegale Einfuhren derartiger Mittelchen ab. Leider fehlt in der Schweiz derzeit eine repräsentative Umfrage zu diesem Thema.
Eine andere spannende Sache beschreibt Pope in seinem Buch «The Adonis Complex». Er liess Männer und Frauen ihr Idealbild und den Attraktivitätsgrad des männlichen Körpers einschätzen, indem er in verschiedenen Bildern Körperfettanteil und Muskelmasse variierte. Bei den Männern stellte er einerseits fest, dass sie ihre eigene Muskelmasse geringer einschätzten, als diese tatsächlich war. Anderseits wünschten sich die Männer im Schnitt, 5 bis 10 Kilogramm mehr Muskelmasse zu haben und weniger Körperfettanteil (entsprechend dem Idealbild für ihren Körper, das sie in der Bildauswahl wählten).
Ebenso schätzten die Männer, das Frauen einen Männerkörper am attraktivsten finden, wenn dieser die oben erwähnten 10 Kilogramm mehr Muskelmasse hätte. Die Frauen hingegen fanden einen Männerkörper im Schnitt am attraktivsten, wenn dieser nicht nur die 10 Kilo weniger Muskelmasse hatte als das Idealbild der Männer, sondern noch einmal 5 bis 10 Kilo weniger. Die Frauen wählten im Durchschnitt ein Bild aus, das nach Pope einem komplett durchschnittlichen Mann entsprach.
Wir sehen also: das Sixpack und die durchtrainierten Arme beim Mann wollen eher die Medien und Hochglanzmagazine als die Frauen. Der DadBod entspricht somit absolut den Attraktivitätswünschen der modernen Frau.
Susanne Maurer Wiesner und Roland Müller, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP